Mimesis und Autonomie
DOI:
https://doi.org/10.52412/mf.2011.H1.182Abstract
Erst um 1800 setzte sich die Idee der Selbstzweckhaftigkeit der Musik "als fundamentaler ästhetischer Sachverhalt im allgemeinen Bewußtsein der Gebildeten" durch - so formulierte Carl Dahlhaus seine zum Konsens gewordene These. In der Forschungsliteratur werden Begriffe wie 'absolute Musik', 'autonome Musik' und 'musikalisches Kunstwerk' häufig diffus verwendet, und es fragt sich, ob bei der Betrachtung der genannten musikgeschichtlich zentralen Begriffe angesichts eines als gleich erscheinenden Bündels von Merkmalen nicht doch etwas Unterschiedliches als Identisches betrachtet wird. Es zeigt sich, dass als entscheidender Ausgangspunkt, an dem die Genese des Begriffs der 'autonomen Musik' verfolgt werden kann, die fast zwei Jahrtausende anhaltende Aktualität des Mimesis-Paradigmas betrachtet werden muss. An dessen im Fortgang der Geschichte sich verändernden Prämissen lässt sich ablesen, wie und unter welchen Bedingunen Musik als solche legitimiert wurde, und weshalb es im 18. Jahrhundert dazu kam, dass die Frage nach der Legitimation der Musik neu gestellt wurde, neu gestellt werden musste. Die Überschreitung dieser Schwelle ermöglicht die Entstehung des Begriffs der 'autonomen Musik' um 1800.