Nachruf auf den Urtext?
DOI:
https://doi.org/10.52412/mf.2004.H4.692Abstract
Dass Urtexte nur selten schlechthin originale Texte sind und nur Voraussetzung einer Realisierung, deren Originalitätsanspruch vom Hier und Jetzt des Erklingenden nicht getrennt werden kann, dass es mithin keine mit dem Begriff oft verbundene Ausschließlichkeit gibt, mindert die Verdienste der Bemühungen um sie nicht im Geringsten. Da sich die Ära der Gesamt- beziehungsweise Denkmälerausgaben dem Ende zuneigt, sollten indessen ihre Voraussetzungen und - gegen einen textfixierten Positivismus - der Anteil der ungeschriebenen Selbstverständlichkeiten neu überdacht werden. Dies hülfe auch eine simple Dichotomie von Textaufbereitung und Umsetzung aufzulösen, die darauf angewiesen ist, eine Endgültigkeit der Niederschrift zu unterstellen, die es nie gegeben hat. Herausgeber und Musizierende könnten dergestalt einander näher kommen, diese kritischer lesend, jene sich als Dolmetscher eines allemal mehrdeutigen Textstandes begreifend.