Das Klingen der Stummen
Überformungen von Sehen und Hören am Beispiel auskomponierter Soli für Dirigenten
DOI:
https://doi.org/10.52412/mf.2018.H1.325Abstract
ier geht es nicht um die weit verbreiteten Befrachtungen von Musik mit visuellen Zutaten bei Mixed Media, Multimedia oder Interfaces, sondern um die der Musik selbst inhärente Multimedialität. Dabei wird der Dirigent als Schlüsselfigur der musikalischen Interdependenz von Hören und Sehen betrachtet. Das erklärt, warum sein Aktionsradius in verschiedenen Stücken eigens auskomponiert wurde. Etliche Komponisten thematisieren Aspekte und mediale Ausformungen von Sehen und Hören in speziellen Dirigenten-Kompositionen, in denen der Dirigent eine explizit auskomponierte eigene Stimme erhält. Der Dirigent selbst ist Material und Medium des Stücks. - Die Dirigenten-Stücke von Dieter Schnebels "sichtbarer Musik" ("visible music"), Mauricio Kagels "Instrumentalem Musiktheater" und Manos Tsangaris' "Szenischen Miniaturen" arbeiteten in den 1960er und 70er Jahren weitgehend ohne elektronische Hilfsmittel. Dazu zählen auch Yiran Zhaos Dirigentenquartette von 2012 und das initiale "Solo-Shrug 'emotionale Reste'" in Nicolaus A. Hubers "Split Brain" für Kammerorchester (2015). Schlagzeuger in der Doppelrolle als Dirigenten finden sich in Helmut Lachenmanns "Air" (1968/69), Mauricio Kagels "Match" (1964) und Simon Steen-Andersens "Black Box Music" (2012). Die jüngeren Dirigenten-Kompositionen von Brigitta Muntendorf ("Überhall" für Ensemble, Video und Zuspiel, 2009), Michael Beil ("Blackjack" für Ensemble mit Live-Video und Zuspiel, 2011), Xavier Le Roy ("Le Sacre du printemps", 2007) und Alexander Schubert ("Point Ones" für erweiterten Dirigenten, kleines Ensemble und Live-Elektronik, 2012) nutzen selbstverständlich audiovisuelle Zuspielungen und/ oder Live-Elektronik.