"Die Tonsprache ist Anfang und Ende der Wortsprache"

Zur Diktion der Opern und Musikdramen Richard Wagners

Autor/innen

  • Oswald Panagl

DOI:

https://doi.org/10.52412/mf.2014.H1.64

Abstract

Bislang steht eine zeitgemäße, umfassende Gesamtdarstellung der Dichtersprache Wagners noch aus. Ziel dieser Ausführungen ist es, in hermeneutischen Schritten die sprachhistorischen Komponenten und die funktionale Leistung der eingesetzten verbalen Mittel angemessen zu interpretieren, wobei kein ästhetisches Urteil angestrebt wird. Die hier gesammelten, analysierten und zu Sachgruppen vereinigten Wortformen und Sprachmuster aus dem Bühnenwerk Wagners stellen nur eine bescheidene Auswahl mit deutlichen Lücken im Material und wohl auch nach den denkbaren Parametern der Gliederung dar. Das Kapitel über den Theoretiker Wagner bietet die Gelegenheit, das sprachliche Resultat seiner poetischen Texte am eigenen Anspruch zu überprüfen. - Zunächst wird das Wechselverhältnis von Sprache und Musik, aber auch der Disziplinen Linguistik und Musikwissenschaft, erörtert. Für eine Nähe, ja Übereinstimmung im Gegenstandsbereich von Sprache und Musik werden neun Argumente aufgeführt, die in ihrem Zusammenspiel zu beträchtlicher Evidenz führen. Anschließend werden linguistische Begriffe und Methoden in der Musik und insbesondere die Übertragbarkeit des linguistischen Koordinatensystems auf musikalische Vorgänge erläutert. Neben solchen einleuchtenden Übereinstimmungen und funktional wirksamen Querbezügen wird auch auf problematische Fälle hingewiesen, bei denen gleichlautende Bezeichnungen unterschiedliche Dinge in Sprache beziehungsweise Musik bedeuten (z.B. Satz). Vor diesem Hintergrund werden Dichtung und Musik im Denken und Schrifttum Wagners untersucht, wobei besonders das Wort-Ton-Verhältnis berücksichtigt wird. Am Anfang stehen dabei einige Textstellen aus späten Artikeln, erst am Ende wird auf einschlägige Kapitel und bezeichnende Passagen aus der wichtigsten Schrift "Oper und Drama" (1850/51) eingegangen. Danach wird die Kunstsprache Wagners in fünf Kategorien untergliedert und anhand von Beispielen analysiert. Dabei wird die Verwendung von (1) Archaischem und archaisierendem Wortgut und (2) Volksetymologie als sprachlichem und poetischem Verfahren thematisiert, bevor (3) unter der Überschrift "Hehr und heil, kühn und feig!" auf Wortverbindungen und ihre Funktion eingegangen wird. Daraufhin wird im Abschnitt "Nie-wieder-Erwachens wahnlos hold bewußter Wunsch" (4) Sinnstiftung durch Neuwörter (neologistische Bindestrich-Komposita) besprochen und schließlich (5) verschiedene poetische Verfahren (wie Stabreim, Synästhesie, Mehrdeutigkeit, Antithese und Gegensatzpaare, komplexe Syntax, Anomalie des Wortlauts beziehungsweise der Konstruktionsmuster als Reflektion eines ungeordneten Gefühlslebens) analysiert.

bms online (Beatrix Obal)

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Veröffentlicht

2021-09-22

Zitationsvorschlag

Panagl, O. (2021). "Die Tonsprache ist Anfang und Ende der Wortsprache" : Zur Diktion der Opern und Musikdramen Richard Wagners. Die Musikforschung, 67(1), 1–25. https://doi.org/10.52412/mf.2014.H1.64